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Entwicklung der Kräder in der Bundeswehr

Definition "Kraftrad":

Ein Fahrzeug mit zwei hintereinander angeordneten Rädern oder mit einem Vorderrad und zwei Hinterrädern. Es wird mit einem Lenker gesteuert und im Reitsitz gefahren. Das Fahrzeug wird durch einen Ottomotor angetrieben, wobei die Antriebskraft über eine Welle und Getriebe oder über Kettenräder auf die Hinterräder übertragen wird. Der Rahmen schließt Gabelkopf und Sitzgestänge ein.


Mit Aufstellung der Bundeswehr 1956 wurden zunächst serienmäßige Straßenmaschinen verschiedener Hersteller, u.a. auch die DKW RT 175 VS, angekauft. Der Einsatz der Motorräder erfolgte auch im Gelände. Die erwarteten Leistungen konnten jedoch mangels fehlender Geländetauglichkeit nicht erfüllt werden. Geländetaugliche Maschinen bzw. Spezialgeländemaschinen gehörten Mitte der 50er Jahre noch nicht zum Fertigungsprogramm der Motorradhersteller.


Bild 01: DKW RT 175 VS


Ende der fünfziger Jahre führte die Bundeswehr die erste Geländemaschine, Maico M 250 B, ein. Auf der Grundlage der zwischenzeitlich von Maico angebotenen zivilen Geländesportmaschine wurde für die Bundeswehr eine etwas leistungsschwächere und stabilere Ausführung – aus Gründen der Dauerfestigkeit – ausgewählt.

Diese Maschine wies folgende typische Merkmale auf:

  • Geländelenker mit Querversteifung
  • hochgezogenes Auspuffrohr
  • Kotflügel mit vergrößertem Abstand vom Reifen
  • grobstollige Bereifung
  • Vorder- und Hinterradfederung mit großen Federwegen
  • Rohrbügel und Schutzbleche
  • Motor mit großem Drehmoment, besonders im unteren Drehzahlbereich.

Mit einem Leergewicht von 155 kg stellte sie im Gelände besondere Anforderungen an die Muskelkraft der Fahrer.


Bild 02: Maico M 250 B


Bereits 10 Jahre nach Auswahl der Maico M 250 B führte die Bundeswehr 1969 die Hercules K 125 Bw, später als Hercules K 125 Variante 1 bezeichnet, ein. Die Entwicklung erfolgte auf der Basis der Hercules Geländesportmaschine K 125 GS. Intensive Erprobungen und konsequente Detailverbesserungen am Fahrwerk und Motor führten zu einem leistungsstarken und leichten Motorrad mit ausgezeichneter Geländegängigkeit.


Bild 03: Hercules K 125 V1


Im Vergleich zur Maico konnten wesentliche, die Geländegängigkeit positiv beeinflussende,konstruktive Verbesserungen und Bw-spezifische Forderungen berücksichtigt werden:

  • optimal abgestimmtes 5-Gang-Getriebe
  • leichtere Bauweise (Einsparung ca. 25 kg)
  • große Federwege (vorn 140 mm, hinten 100 mm)
  • Auspuffrohr besonders hochgezogen und verkleidet
  • vergrößerte Abstände zwischen Kotflügel und Reifen.

Ca. 14 000 Kräder K 125 wurden in der Bundeswehr insgesamt genutzt.


Im Laufe der Nutzung stellten sich Änderungs- und Verbesserungswünsche heraus, die durch entsprechende Modifikationen während der Erprobung ab 1983 eingeführt wurden.


Diese Modifikationen betrafen insbesondere:

  • Antriebskette (durch Einführung eines Fett-Kettenkastens) Steigerung der Lebensdauer von ca. 1 000 auf ca. 5 000 km
  • Vorderradgabel/Rahmenverstärkung Verbesserung der Fahrsicherheit
  • Ersatz der Bleibatterie durch einen elektronischen Blink- und Ladebaustein Lebensdauer von ca. 1 Jahr auf fast unbegrenzt gesteigert

Bild 04: Hercules K 125 V1A1


Alle Kräder sollten im Rahmen einer Werksinstandsetzung auf den neuen Stand, Hercules K 125 Variante 1 A1 benannt, umgerüstet werden. Es stellte sich aber heraus, dass ca. 50 % der angelieferten Kräder nicht mehr instandsetzungswürdig waren.


Aus diesem Grund wurden in einer Vergleichserprobung die derzeit lieferbaren Kradkonzepte untersucht und bewertet.


Es wurden, zeitlich versetzt, drei Kräder erprobt:
BMW R 65 GS,
MZ 500 RA,
Hercules K 180 V 2


Bild 05: MZ 500 RA


Bild 06: BMW R 65 GS


Bei der Hercules K 180 handelt es sich um eine nochmals überarbeitete Variante der eingeführten K 125 V1A1.


Die Erprobung fand im Zeitraum 1990 - 1992 statt:

  • Wintererprobung in Mittenwald
  • Sommererprobung auf der Insel Sardinien
  • Dauerfahrerprobung in Trier, Hermeskeil und Saarlouis.

Fahrleistungen (ca.-Angaben):
Autobahn 1200 km
Bundesstraße 2400 km
Schotterkurs 1800 km
Gelände 3500 km
Feld-/Waldwege 3000 km


An allen Krädern traten teilweise erhebliche Mängel auf: angefangen bei herausfallenden Scheinwerfern bis hin zu Rahmenbrüchen, die auf die extremen Belastungen im Bundeswehrbetrieb zurückzuführen waren. Außerdem wurde z.B. eine Lenkergriffheizung eingeführt, die beim Fahren bei niedrigen Außentemperaturen eine deutliche Verbesserung darstellt.


Nicht zuletzt wegen fehlender Haushaltsmittel wurden dann 1 800 Kräder Hercules K 180 nachbeschafft, der Kradbestand gesamt auf ca. 7 500 Stück reduziert.


Aufgrund der Bekanntgabe der Hercules-Werke im Jahr 1996, die Produktion und das Ersatzteilgeschäft aufzugeben, erfolgte die Endbevorratung an Ersatzteilen für die Bundeswehr bis 2001. Eine 1998/1999 durchgeführte europaweite Marktanalyse für ein Nachfolgemodell, eventuell auch mit Dieselmotor, blieb erfolglos. Im Jahr 2000 erfolgte eine europaweite Ausschreibung für ein Truppenversuchsmuster (TVM) im Wettbewerb. An dieser Ausschreibung beteiligten sich die Firmen BMW, MZ und KTM durch entsprechende Angebote.


Die niederländische Armee nahm an der Auswahl der Truppenversuchsmuster teil. Es wurden je 5 Stück Kräder BMW F 650 GS und KTM 400 LS-E/mil angekauft, wobei die Niederlande mit je 2 Stück am Kauf und der Erprobung beteiligt waren. Die Untersuchungen endeten 2001 nach Auswertung aller Ergebnisse (Taktik, Logistik, technisch-wirtschaftlicher Anteil) mit dem gemeinsamen Vorschlag, das Modell von KTM einzuführen. Das Ministerium billigte im Jahr darauf den Auswahlvorschlag zur Einführung des Modelles KTM 400 LS-E/mil als Krad gl mittel (mittelschweres geländegängiges Krad). Der Gesamtauftrag zur Beschaffung von 487 Krädern für die Bundeswehr wurde 2003 durch die Bundeswehr-Fuhrparkservice GmbH mit der österreichischen Firma KTM geschlossen. Parallel wurde durch das BWB auf Grundlage der Zusammenarbeit mit den Niederlanden die weitere Beschaffung von 113 Krädern für die niederländische Armee vereinbart, womit mit insgesamt 600 Krädern die wirtschaftlichste Beschaffungslosgröße erreicht wurde. Ab 2004 erfolgte die Auslieferung des Krades gl mittel an die Bedarfsträger in den Niederlanden und Deutschland und gleichzeitig die Einleitung der Aussonderung/Verwertung der Kräder Hercules K 125 und K 180 aus dem Truppenbetrieb.


Bild 07: KTM 400 LS E/mil


Durch den fehlenden Schutz für den Kradmelder und den rasanten technischen Fortschritt in den Bereichen Aufklärung und Kommunikation hat das Krad heute als taktisches Melde und Fortbewegungsmittel seinen einst wichtigen Platz innerhalb der Truppe zum größten Teil verloren.


Bildnachweis:


Autor: Dieter Tenzer (WTD 41, Trier 2005)

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