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Die Fertigung von Kettenfahrzeugen bei der Firma M.N.H. in Hannover von 1939 - 1945

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Blick in die zerstörte Montagehalle der Firma MNH nach der Kapitulation


Die Fertigung von Kettenfahrzeugen bei der Firma M.N.H. in Hannover von 1939 - 1945, die Nachkriegs-Panzerfertigung und Erprobung durch die Britische Armee
Die Geschichte der Entwicklung und Produktion von militärischen Vollkettenfahrzeugen in Deutschland ist eng mit den grossen Herstellern von Schienen- und Schwerfahrzeugen, Waffen und Stahl verbunden. Generell ist zusagen, daß als Lieferfirma eines Panzerfahrzeuges im allgemeinen diejenige bezeichnet wurde, die die Endmontage durchführte. Die Zulieferer der Einzelteile wechselten in der Kriegszeit je nach Bedarf und Möglichkeiten.

Ein bedeutender Hersteller von Kampfpanzern und deren Einzelteile war ab etwa 1940 auch die Firma MNH in Hannover, die jedoch im Gegensatz zu den meisten anderen keine ausgeprägte zivile Tradition besaß und daher nur wenigen Interessierten ein Begriff ist.

Bei der Auflistung der Hersteller des nach verbreiteter Ansicht besten mittleren Kampfpanzers des 2.Weltkrieges, des ab 1943 gebauten Panther, findet sich unter den bekannten Firmen MAN, Daimler-Benz und Henschel auch die Firma MNH. Es ist sicher, daß sie diese 30% der ca. 6000 gebauten Panther sowie über 30% der ca. 400 Jagdpanther produziert hat. Sie war die einzige Firma, die zeitweise Panther und Jagdpanther gleichzeitig produzierte. Da der Betriebsteil zur Panzerherstellung 1946 / 47 auf Anordnung der Alliierten weitgehend demontiert wurde und die Firma aufhörte zu bestehen, ist über sie in der bekannten Literatur nicht viel zu erfahren.


1. Anmerkungen zur Firma MNH und deren Entstehung
In den Unterlagen des U.S. Strategic Bombing Survey wird als Zeitpunkt der Firmengründung das Frühjahr 1939 angegeben. Als Anzahl der Beschäftigten werden dort insgesamt 8-10000, an anderer Stelle 12000 Arbeiter und Zwangsarbeiter genannt. Es dürfte sicher sein, daß die MNH aus drei Betrieben bestand, von der früheren Firmen Gebrüder Körting und Eisenwerk Wülfel abstammte und von Anfang an als Rüstungsbetrieb ausgelegt war.

In der Reichsbetriebskartei Industrie, Stand 31.5.44 wurde der Betrieb unter dem Kurzwort "Maschfab Laatzen" geführt und der offizielle Firmensitz der "M.N.H. Maschinenfabrik Niedersachsen GmbH". war in Hannover-Wülfel, Eichelkampstr.4. Als zugehörige Einzelwerke sind die Werke Linden und Laatzen ohne eigene Anschrift genannt. Nach diesem Dokument war der Betrieb schon seit 1937 in der Rüstung tätig und hatte insgesamt 3383 Beschäftigte.


Das Gelände des Werkes Linden an der Badenstedter Straße gehörte der Vorgängerin der Maschinenbaufirma Körting Hannover AG bis zu deren Konkurs im Jahre 1932. Es ist wahrscheinlich, daß der Konkursgläubiger das Gelände im weiteren Verlauf der 30er Jahre an das Eisenwerk Wülfel verkauft hat. Das Eisenwerk Wülfel war aller Wahrscheinlichkeit nach der einzige Gesellschafter der MNH.

Das Werk Laatzen an der Hildesheimer Straße gehörte als Zweigwerk zum Eisenwerk Wülfel und wurde seit Frühjahr 1945 erst durch amerikanische, später bis Ende 1957 von den britischen Streitkräften benutzt. Danach gehörte es wie zuvor zum Eisenwerk Wülfel.

Am 9.April 1945 wurde das Werk Linden von der britischen 9. Armee eingenommen. Dieses Werk zur Panzermontage stand wohl danach im Mittelpunkt des Interesses der Briten und wurde 1946 / 47 demontiert. Nur ein Gebäude -vermutlich die nur wenig beschädigte Fahrgestellmontagehalle- wurde im November 1947 gesprengt. Dort befindet sich heute ein Werk der Firma Mannesmann-Rexroth. Einige andere Gebäude konnten noch im Jahr 1993 vom Grundriß her mit diversen ehemaligen Werkshallen und Wohngebäuden identisch gewesen sein. Es waren dort Gewerbe- Handels- und Dienstleistungsbetriebe untergebracht.


2. Die Betriebe
Der Betriebsteil mit der finstersten Geschichte ist das unterirdische Werk in Ahlem. Es entstand in einem Asphaltstollensystem nördlich und südlich der Harenberger Landstraße mit der Tarnbezeichnung "Döbel". Im Stollen I (Ahlem I) sollte die Firma Continental Flugzeugtreibstoffbehälter, technische Flugzeugschläuche u.a. herstellen, die MNH im Stollen II (Ahlem II) (Seiten-)Vorgelege für den Panther.

Für den Aufbau wurden aus verschiedenen Lagern Häftlinge dorthin verlegt. Das Gelände und die dort schon vorhandenen Baracken waren so schlecht, daß das "KZ Ahlem" zum großen Teil erst von 100 Häftlingen gebaut werden musste, bevor Ende November 1944 die Arbeit in den Stollen begann. Die dort zur Schwerstarbeit eingesetzten ca. 200 Häftlinge waren zum Teil so unterernährt und entkräftet, daß sie selbst die vergleichsweise leichtere Fabrikarbeit bei der Conti nicht mehr zur Zufriedenheit der Firma erfüllen konnten. Ob die Produktion jemeils aufgenommen wurde, ist zweifelhaft. Sicher erscheint jedoch, daß von KZ-Häftlingen Maschinen im MNH-Stollen montiert worden sind.

Das kleinste der drei Stammwerke war jenes in Laatzen. Es dürfte sich dabei um die schon oben erwähnte Maschinenfabrik Laatzen ("Maschfab Laatzen") gehandelt haben. Es soll Panzerketten, Fahrwerksteile und Laufräder für den Panther hergestellt und an das Montagewerk in Linden geliefert haben. Zusätzlich sollen auch Geschützrohre hergestellt worden sein. Möglicherweise wurden dort auch Flugzeugteile für Ju 87 und Ju 88 hergestellt.

Das Werk Wülfel (Eisenwerke Wülfel) mit ungefähr 4000 Arbeitern fertigte Zahnräder und Getriebegehäuse für verschiedene Panzerhersteller und das eigene Lindener Werk. Es wurde am 22. September 1943 und am 28. März 1945 bombardiert. Beides waren schwere Angriffe, jedoch konnte nach dem Ersten das Lindener Werk weiterhin mit Teilen versorgt werden. Der Zweite zerstörte die Energieversorgung und beendete die Produktion endgültig. Das Werk Linden war das Hauptwerk, montierte die Panzer, bearbeitete Panzerteile und soll 4000 bis 6000 Menschen beschäftigt haben, wovon nur 600 Deutsche gewesen sein sollen. Die ausländischen Arbeitskräften waren hauptsächlich russischer und französischer Nationalität, wobei die russischen Zwangsarbeiter die grösste Gruppe stellten. Der für die Produktion und Entwicklung verantwortliche Oberingenieur gab bei einem Verhör nach der Kapitulation als monatliches Produktionsvolumen 80-100 Fahrzeuge bei 2500 bis 3000 Arbeitern an. Bei dem ersten gezielten Bombenangriff am 14. März 1945 wurden die Gasleitungen beschädigt und die Energieversorgung für 2 Tage unterbrochen. Zwei kleinere Angriffe am 17. und 25. März richteten keinen grossen Schaden an, jedoch der erwähnte Angriff vom 28. März unterbrach die Energieversorgung nachhaltig und zerstörte die bisher verschont gebliebenen Gebäude. Die Produktion kam danach fast ganz zum Erliegen.


3. Die Produktion im Werk Linden
Die Produktion von Militärfahrzeugen soll bereits im Juni / Juli 1939 mit der Herstellung von Halbketten-SPW und Panzerspähwagen begonnen haben. Die MNH war von Frühjahr 1941 bis Oktober 1944 ein wichtiger Lieferant für die Fahrgestelle des mittleren Schützenpanzerwagens (Sd.Kfz.251). Von Januar bis Dezember 1942 war sie auch Endmontagefirma für diesen Typ. Als gesichert kann die Anzahl von 138 Fahrgestellen im Jahr 1942 (mit Endmontage) und 808 produzierten Fahrgestellen in den folgenden Jahren 1943 und 1944 gelten. Es ist durchaus möglich, dass es dort eine Verbindung mit der Fa. Hanomag gibt, die ebenfalls den mittleren Schützenpanzerwagen und dessen Fahrgestelle hergestellt hat. Die Hanomag wird auch mindestens einmal in Verbindung mit der Herstellung des Panzerkampfwagen III und durch einen ehemaligen Mitarbeiter der Firma Hanomag, mit der Panther-Montage genannt.

Ein ehemals im Werk Linden beschäftigter Augenzeuge berichtet, es sei 1941 in Zusammenarbeit mit der Hanomag die Fertigung des m. SPW (SdKfz) begonnen worden. Im Jahre 1940 sollen in Verbindung mit der Firma Büssing-NAG probeweise sPzSpWg (8*8) montiert worden sein. Dies sei jedoch nach Anlaufschwierigkeiten eingestellt worden. Dieser einzige Augenzeuge, der dem Verf. bis heute begegnete, berichtet ebenfalls von der Herstellung der le. ZgKw 1 to (SdKfz 10) im Jahre 1940 "auf Hochtouren" sowie von der gleichzeitigen Herstellung von PzKpfw. III, PzKpfw. IV und StG. III im Zeitraum Mitte 1941 auf einer Fertigungslinie mindestens bis zu seiner Einberufung im Frühjahr 1942. Die dem Verf. geschilderte gleichzeitige Fertigung von 3 Panzertypen im Taktverfahren und die breite Produktpallette läßt eine erstaunliche Flexibilität und Leistungsfähigkeit dieser erst kurze Zeit vorher gegründeten Firma vermuten.

Der Panzerkampfwagen III sei bei MNH von Ende 1940 bis Januar 1943 dazugekommen. Zwei ehemalige Direktoren der Firma nennen den Monat Juli 1943 als Ende der Panzer III-Fertigung bei der MNH. Der Panther wurde ab Ende Januar/ Anfang Februar 1943 produziert. Im gesamten Jahr 1943 wurden 445 Stück, im Jahre 1944-1232 Stück und in den Monaten Januar und Februar 1945 noch 161 Fahrzeuge ausgeliefert.

Es erscheint mir aber als sicher, daß noch in den Tagen bis zum 9. April 1945, wenn auch in geringen Stückzahlen, Fahrzeuge fertiggestellt wurden. Zwei der ehemalige Direktoren sagen über die Zeit nach dem letzten und schwersten Bombenangriff auf das Werk am 28. März 1945: "Da Maschinenarbeit nicht mehr möglich war, wurden nur noch einige wenige, schon fast fertige Panzer von Hand fertiggestellt". Für diese Aussage sprechen auch die von britischem Militärpersonal aufgenommenen Fotos der Fahrgestellmontagehalle, die kurz nach Kriegsende aufgenommen wurden. Sie zeigen vornehmlich die Panzermontagelinien, auf der schon teilweise montierte "Panther-" und "Jagdpanther-" Fahrgestelle zu sehen sind und geben einen guten Einblick in die Fahrgestellfertigung und die chaotischen Fertigungsumstände bei Kriegsende. Die Halle erscheint übrigens längst nicht so zerstört, wie man es nach der Lektüre des amerikanischen Reports erwarten würde. Die zu diesem Report gehörenden Fotos zeigen auch nur einige andere, schwer beschädigte oder dem Erdboden gleichgemachte Hallen.


3.1 Einzelheiten der Panther-Fertigung im Werk Linden

Die von diversen Herstellern angelieferten Panzergehäuse (Wannen- und Turmgehäuse) wurden im Werk zur Montage mechanisch fertigbearbeitet. Ebenso wurden diverse angelieferte oder eigengefertigte Baugruppen fertigmontiert und geprüft. So sollen die Schaltgetriebe unter Last und die (eigengefertigten) Seitenvorgelege ohne Last einem 2 stündigem Prüflauf auf Geräusch- und Wärmeentwicklung unterzogen worden sein. Die Motoren seien von Auto-Union (Werk Siegmar) geliefert worden und außer der Vergaser- Einstellung beim Einfahren sollen an den Motoren vor dem Einbau keine Arbeiten vorgenommen worden sein. Zum Einfahren sei laut der Aussage des verantwortlichen Oberingenieurs der "Standard Wehrmacht Transport-Kraftstoff" verwendet worden, welcher aus 25% Benzin, 30% Benzol und 45% Alkohol ohne Zusatz von Bleitetraäthyl bestanden habe und 70 Oktan hatte. Probleme beim Betrieb habe es damit nicht gegeben, die Motorleistung sei eher höher gewesen. (Anmerkung: Dieses erscheint glaubwürdig, da auch bei Jagdflugzeugen zur kurzzeitigen Leistungssteigerung zusätzlich ein Methanol-Wassergemisch (MW 50) eingespritzt werden konnte.) Die Motorlebensdauer wurde von den beiden Herren mit 2000 Std. angenommen. Mit Motorproblemen hätte man keine Erfahrungen machen müssen.

Die Bohr- und Drehwerke waren durch in den Boden eingelassene Schienen verbunden. So konnten die zu bearbeitenden Gehäuse günstig für den Produktionsfluß einfach ohne Umsetzen weitergeschoben werden. Wertvolle Werkzeugmaschinen wurden wie allgemein üblich, gegen die Wirkung von Sprengbomben durch halbhohe, lose aufgeschichtete Ziegelsteinmauern geschützt.

Die Fahrgestell-Montage verlief nach vorliegenden Fotos zum Ende des Krieges in drei kurzen parallelen Fertigungslinien. Die Änderung des ursprünglichen Verfahrens mit nur einer einzigen langen, hin- hergehende Fertigungslinie, und die damit verbundene Störung des Produktionsflusses ist evtl. auf die Aufnahme der Fertigung des Jagdpanther ab Ende 1944 zurückzuführen. Vorhandene Aufnahmen, aufgenommen nach der Kapitulation, legen den Schluß nahe, daß man möglicherweise auf diesen drei Montagelinien "typenrein" bauen wollte, d.h. entweder Panther oder Jagdpanther.

Der Transport der Fahrgestelle auf der Montagelinie erfolgte durch Züge, die über Umlenkrollen von den Krananlagen betätigt wurden. Die Fahrgestelle liefen auf schienengebundenen Transportwagen. Ein vorliegender britischer Bericht beschreibt das System der Qualitätssicherung aufgrund der optimalen Fertigungsgegebenheiten bei MNH als sehr effektiv und nützlich. Es seien lediglich 6 Wehrmacht-Abnehmer (3 in der Tag- und 3 in der Nachtschicht) bei der Montage eingesetzt gewesen sein, die sowohl für fertigungsbegleitende Zwischenabnahmen als auch für die Abnahme des fertigen Produktes zuständig gewesen sind. Die effektiven und ins Einzelne gehenden Zwischen- und Endprüfungen sollen von etwa 60 "Werks-Abnehmern" vorgenommen worden sein. Die Prüfungen bei der Fertigung und Einstellung der kompletten Turm- und Waffenanlage seien allerdings interessanterweise zum grossen Teil durch die Wehrmacht-Abnehmer durchgeführt worden.
Es existierten im Werksbereich abgeschlossenen Lager mit geprüften Teilen bzw. Zulieferteilen, in die Werksangehörige kein Zutritt hatten. Grundsätzlich wurden an Teilen, die ordnungsgemäß abgenommen und (von Wehrmacht-Abnehmern) "gestempelt" waren, außer der Überprüfung auf Transportschäden keine Wareneingangsprüfungen mehr durchgeführt.


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  • 1. Vormontage Motor, Seitenvorgelege und Laufräder
  • 2. Mechanische Abteilung
  • 3. Mechanische Bearbeitung der Turm-und Wannengehäuse
  • 4. Achtspindelbohrwerke zur Fertigstellung der Laufwerk-Bohrungen
  • 5. Säulenbohrmaschine zum Anbringen von Bohrungen am Turmgehäuse
  • 6. Mechanische Fertigstellung der Wannengehäuse
  • 7. Zwei-Spindelbohrmaschinen für die Bohrungen für Seitenvorgelege und Leitradschwinge
  • 8. Portal-Drehmaschinen zur Bearbeitung des Turmdrehkranz-Sitzes
  • 9. Radiale Bohrmaschinen mit verlängertem Ausleger für Bohrungen kleinerer Durchmesser
  • 10. Fahrgestell-Montagelinie
  • 11. Montagebühnen
  • 12. Montagelinien für je 10 Fahrzeuge nebeneinander

4. Die Nachkriegsfertigung und Erprobung durch die Britische Armee

Nach der Kapitulation sind von August 1945 bis Frühjahr 1946 innerhalb von neun Monaten noch 9 Panther und 12 Jagdpanther aus den Restbeständen montiert worden. Da das Hauptwerk der MNH durch Bombenangriffe teilweise stark zerstört war, wurden die vorgefundenen, schon zum Teil montierten Fahrzeuge in das weniger zerstörte Werk Laatzen gebracht. Die Fertigstellung erfolgte unter Leitung von Captain Hadlow vom 823 Armoured Troops Workshop, einer Werkstatteinheit für Panzerfahrzeuge, welche vermutlich im Werk Laatzen untergebracht war. Hadlow bekam über das Hauptqartier der britischen Rheinarmee dem Auftrag, so viele Fahrzeuge wie möglich fertigzustellen. Alle sollen ein Metallschild auf der Front erhalten haben, auf dem stand, dass das Fahrzeug durch die REME (Royal Electrical and Mechanical Engineers, die Britische Instandsetzungstruppe) fertiggestellt worden ist. Der Panther, der sich heute im Bestand der Wehrtechnischen Studiensammlung des BWB befindet, hatte beispielsweise ursprünglich ein Schild mit der Aufschrift: BUILT IN 823 ARMD TROOPS WKSP, REME, NO. 6, BOAR, 1945. Die Fahrzeuge wurden "in der Heide nördlich von Hannover" von britischem Personal probegefahren, sollen jedoch entsprechend den deutschen Anforderungen geprüft worden sein. Auf den vorhandenen Fotos ist zu erkennen, dass einige Fahrzeuge unvollständig geblieben sind; so fehlen bei einem Jagdpanther die Hauptwaffe und einige Lukendeckel.

Einen sicheren Beweis dafür, dass auch Fahrzeuge in England zusammengebaut worden sind, war bisher nicht zu erbringen. Der damlige Leiter des Sachgebietes Rad- und Kettenfahrzeuge der WTS berichtete dem Verfasser, dass anlässlich der Übergabe des Panther von Seiten der britischen Partner erklärt wurde, dass dieses Fahrzeug zu 3/4 fertiggestellt gewesen sei und in England fertig montiert wurde.

Mindestens ein Fahrzeug soll jedoch montiert worden sein, um ein neuwertiges Fahrzeug für die geplanten Vergleichserprobungen mit dem "Black Prince" und dem "Centurion" zur Verfügung zu haben. Zwei Panther, zwei Jagdpanther und ein Bergepanther sollten 1948 von der britischen Erprobungsstelle für Kampffahrzeuge in Chertsey, Surrey unter der Aufsicht der Entwicklungsabteilung für Kampffahrzeuge allen Annahmeprüfungen für neue britische Kampfpanzer unterzogen werden. Das Programm wurde jedoch zunächst verkürzt und dann abgebrochen. Mit Ausnahme des Bergepanthers, der bereits 600 km gelaufen habe, seien die anderen Fahrzeuge (aus Hannover) nahezu neuwertig gewesen.

Die Erprobung der Fahrzeuge in England soll "enttäuschend" verlaufen sein. Bis auf zusätzliche Motoren waren keine Ersatzteile vorhanden. Es gab Probleme mit den Lenkungen und mit Motorbränden, die notwendigen Ersatzteile gewann man durch "Kannibalisieren" der anderen Fahrzeuge.

Ein deutscher Kriegsgefangener musste das britische Erprobungsteam über die richtige Bedienung der Fahrzeuge aufklären. Er berichtete den Briten, dass man nach seiner Erfahrung Panther-Besatzungen geraten habe, nicht die Überlagerungslenkung und gleich die Lenkbremse zu benutzen, da die Kupplungen für die Lenküberlagerung schwach seien. Dieses erfolgte durch sofortiges Weiterziehen des Lenkhebels über den Bereich des Radiuslenkens hinaus. Dass die Einscheiben-Trockenkupplungen im Pkw-Format als Radius-Lenkkupplungen zu schwach bemessen waren, und bei starker Belastung schnell an ihrer Leistungsgrenze angekommen sind, ist bekannt und wird durch Erfahrungen mit den WTS-Fahrzeugen bestätigt. Auf Seite 48 der "Panther-Fibel" für Pantherbesatzungen, herausgegeben am 1. Juli 1944 vom Generalinspekteur der Panzertruppen steht dazu: "...Merk dir auch, dass sich´s nicht gehört, dass man die Lenkbremse stets quält, wenn man es grad für nötig hält; da geht das Triebwerk schnell kaputt, ein Kutscher ist, der so was tut!"

Des weiteren würden die Motorbrände durch Überlaufen der Vergaser ausgelöst, im Betrieb zu erkennen an lang herausschießenden Flammen bei weissglühenden Auspuffrohren. In diesem Fall sei ein Brand bei Nachzündungen beim Abstellen des Motors ziemlich wahrscheinlich. Daher hätten es die Fahrer in diesen Fällen vorgezogen, den Motor durch "Abwürgen" abzustellen.
Die von Anfang an bekannten Probleme mit Motorbränden durch überlaufenden Kraftstoff scheinen also, trotz aller durchgeführten Detailverbesserungen, bis zum Ende der Fertigung des Panthers ein Thema gewesen zu sein.

Bei der weiteren Erprobung sind wegen der "unberechenbaren" Lenkung Straßenfahrten mit Höchstgeschwindigkeit zur Ermittlung des Kraftstoffverbrauches aus Sicherheitsgründen abgesagt worden, ebenso eine Geländefahrt über fünfundzwanzig Meilen mit sicher fahrbarer Höchstgeschwindigkeit zur Überprüfung der Kühlanlage und des Kraftstoffverbrauches. Nachdem beim Befahren eines 22%igen Steilhanges beim Anhalten die Bremsen eines Fahrzeuges versagten und Triebwerk und Laufwerk beim Zurückrollen des Panzer beschädigt wurden, waren alle Fahrzeuge nicht mehr einsatzfähig und die Tests mussten am 11. Februar 1948 eingestellt werden. Dass die korrekte Einstellung der Lenkung sehr wichtig war, erläutert die "Panther-Fibel", Seite 44: "...Zieht jedes Pferd nach andren Seiten (Anmerkung: bei einem vierspännigen Pferdewagen), dann macht das Lenken Schwierigkeiten. Das kann bei siebenhundert Pferden (Anmerkung: 700 PS des Panthers) Dir doch erst recht gefährlich werden. Der Panther läuft, wie´s ihm gefällt, wenn seine Lenkung schlecht gestellt..." und weiter, zeitgenössisch politisch gefärbt: "Auf einem Esel sitzt ein Lord, er möchte, aber kann nicht fort; weil für ein derart störr´sches Biest zum Lenken er zu dämlich ist. Stellst Du die Stützbremse nicht ein, wird auch der Panther störrisch sein". Wenn bei den Erprobungen in England keine, möglichst übersetzte, Original-Wartungsvorschriften vorhanden gewesen sind und die ungewöhnlichen und sich nicht selbst erklärenden Einstellungen eventuell nicht oder nur ungenau vorgenommen wurden, waren erhebliche Probleme beim Fahren die zwangsläufige Folge. Das entspricht auch den langjährigen Erfahrungen der WTS mit diesem Panzertyp.

Nicht nur der Panther, auch der Jagdpanther des Bovington Camp Tank Museum stammt aus der Nachkriegs-Serie. Die Überreste eines anderen Jagdpanthers wurden auf einem Übungsgelände in Surrey, England, gefunden. Aus diesem und Bruchstücken eines anderen ist ein neuwertiges Fahrzeug entstanden, welches sich in Privatbesitz in England befindet. Es hat noch ein dritter Panther Ausf. G überlebt, er ist ebenfalls in Privatbesitz. Grundsätzlich ist jedoch anzunehmen, dass die meisten dieser Fahrzeuge als Hartziele auf Übungsplätzen in England oder in Deutschland endeten.

Mit dem erbeuteten Bergepanther, der ebenfalls intensiven Tests unterzogen wurde, schien man zufriedener gewesen zu sein. Er hatte unter anderem einen "Centurion" aus dem Schlamm zu ziehen und wurde als "brauchbar" bezeichnet. Nur dessen Seilwinde überlebte, weil sie auf der Erprobungsstelle Jahrzehnte lang gute Dienste leistete. Sie wurde der WTS vom Bovington Tank Museum freundlicherweise im Tausch überlassen und ergänzt den Bergepanther der WTS ganz entscheidend.


Quellenangaben:
Frank Köhler, Die Fertigung von Kettenfahrzeugen bei der Firma M.N.H. in Hannover von 1939 - 1945, die Nachkriegs-Panzerfertigung und Erprobung durch die Britische Armee, Koblenz 2007.

Aktualisierter Beitrag aus der WTS-Info Nr. 12, Koblenz 1994.


Autor: Frank Köhler © 1998 - 2018

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